IT Service Management als kritischer Erfolgsfaktor
Glaubt man aktuellen Umfragen zu den Megatrends in der IT, so sind dies vor allem:
Nutzerorientierung, festzumachen an Themen wie Social Networks, E-Collaboration oder „Bring your own device“
Informationsmanagement mit Themen wie Big Data und Master Data Management
Flexible IT mit Themen wie standardisierte Architekturen, Virtualisierung oder Cloud Computing
Business-Orientierung der IT mit Themen wie geschäftsprozessorientiertes Sourcing von IT-Dienstleistungen
Digitalisierung in diverses Bereichen des Lebens – Smart Services, Device, Grid … oder auch Industrie 4.0
Green IT mit Themen wie energie- und ressourcenoptimierter Betrieb von Rechenzentren, Infrastrukturen und Arbeitsplätzen
Als KMU ohne Umweg in die Cloud?
Welche dieser fünf Trends KMU relevant sind, lässt sich aus den von Dibbern und Heinzl in 2001 beschriebenen KMU-Besonderheiten ableiten. Mittelständische IT-Abteilungen leiden demnach an latentem Ressourcenmangel, das heißt, es fehlt meist an guten Mitarbeitern und Investitionsmitteln für Innovationen. Parallel erhöht die Globalisierung und die zunehmende Anzahl gesetzlicher Vorschriften (Basel3, GdPdU, SOX usw.) die Aufwände drastisch. Der Druck, die IT-Prozesse zu rationalisieren, wächst entsprechend mit. In einer solchen Situation klingen die Themen des dritten Megatrends wie Cloud Computing, Standardisierung und Virtualisierung wie Heilsversprechen und können es vielleicht sogar sein, wenn – ja wenn – die technologischen Veränderungen auch von einem anderen organisatorischen Selbstverständnis, nämlich dem der Serviceorientierung, getragen werden.
Durchschnittliche Anzahl betreuter IT-Arbeitsplätze
Ohne ITSM (ca. 7 Arbeitsplätze je IT-Mitarbeiter)
Nutzung von ITSM (ca. 13 Arbeitsplätze je IT-Mitarbeiter)
Selbst als interner Dienstleister zu agieren, seine IT-Prozesse an den Anforderungen und Leistungsprozessen interner Kunden (Fachabteilungen) auszurichten, setzt ein gänzlich anderes Denken voraus, als sich ausschließlich für die Verfügbarkeit von Technologien (zum Beispiel Servern) verantwortlich zu fühlen. Sich über den Verkauf interner Services aus einem Service-Katalog und nicht über einen festen Anteil am Umsatz zu finanzieren, verändert das Verhältnis zwischen IT- und Fachabteilung erheblich. „Am Ende führt Service-Orientierung zu starken Rationalisierungseffekten, die in Ressourceneinsparungen zwischen 20 und 40 Prozent münden“, berichtet Prof. Dieter Hertweck, der die Effekte von ITSM in einer Studie in sechs Ländern untersuchte.
Eingesparte Ressourcen sinnvoll nutzen!
Inwiefern die eingesparten Ressourcen für Innovationen wie die Digitalisierung unternehmensübergreifender Geschäftsprozesse im Einkauf, im Vertrieb oder der Produktentwicklung genutzt werden, bleibt in Fachkreisen umstritten. In aktuellen Studien konnte gezeigt werden, dass zahlreiche kleinere und mittlere Unternehmen mit den in der IT erzielten Kosteneinsparungen bei gleicher Servicequalität zufrieden sind, während andere die freigewordenen Ressourcen für Innovationen nutzen. Der IT-Leiter eines besonders erfolgreichen mittelständischen Unternehmens brachte diesen Wandel zum Innovator mit den Worten auf den Punkt: „Ich definiere meinen Erfolg heute nicht mehr über die Anzahl Indianer, deren Häuptling ich bin, sondern vielmehr über die Frage, ob ich eine der ersten Personen bin, die mein Geschäftsführer um Rat fragt, wenn er eine neue Produkt- oder Vertriebsstrategie plant.“ Dass IT-Innovationen in KMUs einen direkten Einfluss auf die Gewinnentwicklung im Unternehmen haben, konnte mit der INNOTRAIN IT Umfrage belegt werden.
Treiber für ITSM
Kostensenkung
Erhöhung der Service-Qualität
Wettbewerb
Compliance & Vorschriften
Neue Standards
Verminderung von Risiken
Reduzierung der Arbeitsüberlastung
Barrieren für ITSM
Falsche Wahrnehmung von ITSM
Verhaftung in funktionalem Denken
Mangelndes Kostenbewusstsein
Komplexität existierender ITSM-Framework
Fehlendes Wissen
Arbeitsüberlastung
Angst vor weiterer „Bürokratie“
Die Vorteile von Virtualisierung und Standardisierung
Wenn die Vorteile neuer Methoden wie Virtualisierung und Standardisierung und ihr auf Kosten und Innovation bezogener Einsatz im Rahmen von IT Service Management Referenzmodellen einen derartigen Nutzen stiften, weshalb tun sich dann viele IT-Leiter mit dem Paradigmenwechsel schwer? Neben dem oft noch immer mangelnden IT Kostenbewusstsein in den Fach- und IT-Abteilungen wird meist auch die Komplexität existierender ITSM Frameworks wie CoBIT oder ITIL angeführt. Die mit ihnen einhergehenden, zusätzlichen Dokumentationsaufwände werden – zusammen mit der durch Compliance-Regelungen ehedem permanent zunehmenden Schreibarbeit – von vielen IT-Fachleuten als nicht erstrebenswert betrachtet. Die strukturierte Abarbeitung von Nutzeranfragen, darauf aufbauende, dokumentierte Systemkonfigurationen und selbst aktualisierte Notfallpläne sind in KMUs eine Seltenheit. Hinzu kommt die Schwäche vieler ITSM-Schulungsangebote, die sich eher an Konzerne richten, und die Philosophie des Alignments, das heißt der Verbindung von Geschäfts und IT-Perspektive, nur unzureichend thematisieren.
Dies führt zu der oft grotesken Situation, dass CIOs eher in strategisch ausgerichteten CoBIT-Kursen anzutreffen sind, während ihre IT-Leiter und Mitarbeiter ITIL-Kurse besuchen, in denen der Bereich Service-Support in angemessener Ausführlichkeit unterrichtet wird, aber Service Delivery-Themen viel zu kurz kommen. Dies hat zur Folge, dass es meist einen implementierten Service-Desk und vielleicht noch ein gutes Störungsmanagement gibt, der aber wirklich wichtige Abgleich der IT-Prozesse mit dem Bedarf der Geschäftsprozesse unterbleibt. Da ITSM davon lebt, dass sich die Unternehmensspitze regelmäßig mit dem IT-Leiter über neue Strategien und Informationstechnologien zur Umsetzung von Innovationen unterhält, muss man die oben beschriebenen Methoden und Praktiken Stand heute leider als wenig mittelstandsgerecht bezeichnen. An einer mögliche Lösungen dieses Dilemmas arbeiten derzeit die Projekte ITSM4SME und FEDSM – ein Blick lohnt sich!
Weitere Informationen
Weitere Informationen können bei den zuvor genannten Projekten, aber auch bei den etablierten Frameworks und deren Communities gefunden werden:
ITIL – itSMF Deutschland
COBIT – ISACA Deutschland
Der Originalbeitrag von Prof. Dieter Hertweck und Philipp Küller zu diesem Blog Artikel erschien im digital business magazin 1/2011.